3. August - 2. September 2006
"Die beste Entdeckungsreise macht man,
indem man die Welt mit anderen Augen betrachtet."
(Marcel Proust, 1871 - 1922)
In dem Sinne bin ich bis 11.9.06 auf Reisen.
Mit diesem Spruch "fütterte" ich meinen Outlook-Assistenten im Büro... und weg war ich! Für volle 7 Wochen. Welch' ein Gefühl!
Hungrig erreichten wir mitten in der Nacht Keflavik, von wo der flybus uns in die Stadt Reykjavik transportierte. Im Gistiheimili Baldursbra sanken wir müde ins Bett. (Hungrig deshalb, weil die SBB-Lok in Zürich "bockte" und einfach nicht mehr weiterfahren wollte. Später als geplant kamen wir schliesslich in Romanshorn resp. Friedrichshafen an und das gemeinsame "Ferieneinstiegs-Nachtessen" löste sich in leere Kalorien, sprich Luft auf. Immerhin erwischten wir noch unseren Flug und normalerweise gibt’s ja dort auch etwas zu essen. Nicht so in der Billiglinie Iceland-Express. Eigentlich hätten wir es uns ja denken können, die kann ja zum halben Preis natürlich nicht den gleichen Service bieten wie die Icelandair. Mein einziger Trost: Das nächste Frühstück und damit die lang ersehnte Surmjölk wurde immer greifbarer...)
Vom Domestic Airport aus flogen wir am nächsten Morgen frisch gestärkt nach unserem eigentlichen Ferienziel: Grönland. In Kulusuk holte uns das gecharterte Fischerboot ab und brachte uns auf rassige, (be-)rauschende Art nach Tasiilaq, der sogenannten "Stadt" von Ostgrönland (1500 Einwohner). Der Kapitän kurvte sicher um all die grossen und kleinen Eisberge, als wären diese einfach etwas langsamere Verkehrsteilnehmer, die es geschickt zu umschiffen galt.
Fröhliche farbige Häuser und Husky-Gebrüll deuteten auf Leben hin. Mir fiel sofort auf: Es war praktisch windstill, was ich mit meiner Island-Erfahrung nicht erwartet hätte. Dafür fing es bald einmal an zu regnen. Unser Entdeckungssinn drängte auf einen kleinen "Stadt-Bummel" Der grosse, coopähnliche, Pilersuisoq bestach mit Klettverschlüssen, farbigen "Chräueli", TV und DVD-Geräten, MP3-Player, Pflaster, Unterziehhosen, nützlichen Regenjacken (gäu Peter), Toilettenartikeln, etc. Dagegen waren die Gemüse- und Früchteregale praktisch leer, die Joghurts und Eier (wenn überhaupt) tiefgefroren, die Milch in Pulverform und das Büchsenregal präsentierte beeindruckende, gähnende Leere.
Ein wunderbares und unglaublich vielfältiges, knackiges Frühstücksbuffet von Robert Peroni (Red House) begrüsste uns zum Einstieg in den Ferienalltag und lenkte den Blick von den Regentropfen am Fenster ab. All dieser Käse, die Brote, die Müeslisorten, 20 Konfitüren, Joghurt, Milch,... hm, fein. (Praktisch alles Produkte aus Dänemark.) Da liess es sich problemlos geduldig auf trockenere Zeiten warten. Schliesslich lagen noch fast 30 Tage Ferien vor uns. Irgendwann beschlossen Peter und ich, etwas frische Luft im Blumental zu schnuppern. Fritz war längstens über alle Berge…
Erste Allround-Tour. Ziel war der 830 m hohe Ymersfjeld, der von Moos, Geröll über Steine bis hin zu Gletscher alles bot. An einer kleineren, "läbigen" Wand zog ich es vor, am Seil gesichert den Granit zu spüren. Die Sonne schien und verzauberte unsere Blicke. Die Eisberge weit unten erschienen uns wie blaue, grüne und weisse Kunstwerke im tiefblauen Hintergrund. In dieser fremden Bergwelt wagten wir uns nicht mehr weiter über den ganzen Grat und wählten über ein steiles Couloir den Abstieg auf den Gletscher. Zurück zur Unterkunft fanden wir mehrheitlich über herrlich weiches Moos.
Dem Regen zum Trotz beschlossen wir zu einem ersten Trekking von fünf oder sechs Tagen aufzubrechen. Mutig verliessen wir die warme Stube. Es rieselte um wenig später zu strömen. Alles klitschnass - es stiegen Island-Erinnerungen auf und die Frage, wieso ich mir das alles (freiwillig) antue, wo es doch zu Hause im Adlerhorst so wohlig warm und gemütlich wäre… Ich dachte an unser Alpenpanorama, die Tomaten, die Blumenpracht, "meinen" Fritz… Peter sehnte sich bestimmt nach der Geborgenheit bei Lisa und Fritz schweifte vielleicht gedanklich auch mal ab in die Heimat. (Da kam mir aber in den Sinn, dass die Wetterprognosen für die Schweiz auch nicht rosig tönten.)
In der kargen Landschaft im Grau des Nebels und Regens leuchteten uns herrlich grünes Moos, pinkige Arktische Weidenröschen und niedliches Leimkraut (für mich alles alte "Bekannte") entgegen. Wunderschön! Schade, ich hatte keine Lust, zwischen den Bindfäden meine neu erstandene Kamera hervorzukramen. Ich bückte mich um etwas Säuerling zwischen die Zähne zu bekommen. Shit! Nun lief mir das Wasser der Rucksackhülle entlang runter, runter bis in die Hose, Unterhose. Hm, alles nass… eher unangenehm! Weiter im Trab, von Mooskissen zu Mooskissen, über Steinblöcke turnend schafften wir Bach-Passage um Bach-Passage. Plötzlich tauchte eine runde Wegmarkierung auf: Wir mussten also noch richtig sein, obwohl die Schutzhütten nicht auftauchen wollten! Beruhigend! (Wir glaubten anfänglich nicht daran, dass die Koordinatenangabe falsch war.) Nur nicht allzu lange stehen bleiben, sonst wurde es kalt. Endlich erblickte Fritz ein kleines Holzquader am Horizont - das könnte vielversprechend sein, fuhr mir durch den Kopf… Und es war es! Nicht riesig, vielmehr sehr bescheiden: Eine Lage Holzbretter, eine Wäscheleine - that's it! Aber nach der mit Milchpulver angereicherten Polenta, dem Kaffee und den Guetzli fühlten wir uns darin richtig wohl. Wie heisst es so schön: "my home is my castle". Oh weh, der Schlafsack hatte auch etwas Regen abgekriegt! Nanu, so tun, ob alles trocken und perfekt sei, dann schläft es sich bestimmt besser, bildete ich mir ein… Peter dagegen reiste mit Stil: Fröstelnd bestaunte ich etwas beschämt seine Daunenfinken, seine Daunenluftmatraze und seinen Daunenschlafsack.
Das Wetter stimmte zuversichtlich. Innert Kürze verwandelte sich um die Schutzhütte alles in eine Wäschehänge. Die ersten Sonnenstrahlen erwärmten unsere steifen Glieder und die Kleider fühlten sich allmählich wieder etwas trockener an. Wer meint, er könne auf Grönland gut markierte Wanderwege oder sanfte Schafpfade begehen, der irrt. Dort wechseln sich grauer Granit mit rotem Geröll, Sumpf mit schimmernden Sandbänken und Felsbrocken mit Gletscher(bächen) ab, weglos, - recht anspruchsvoll, jedenfalls mit einem immensen Rucksack auf dem Buckel! Noch vor Mittag wartete am Fusse des Mittivakatgletschers eine erste imposante Furt auf uns. Wo lässt sie sich am besten furten, war die grosse Frage… Wir testeten verschiedene Möglichkeiten. Gut gegangen! Wir machten erste hautnahe Bekanntschaft mit einigen Eisbergen. Wau! Wir vergassen die Zeit und genossen das Hier und Jetzt. Oh, inzwischen war unsere Furt-Strecke plötzlich "furt", die Flut liess grüssen. Bei der Geographic Station schlug Fritz vor, eine Nacht dort zu bleiben. Hier mundete das bescheidene Campingfood wie im Hotel Bellevue - die Sicht war eben auch "bellevue". Die Abendsonne im Gesicht. Die voneinander brechenden Eisberge imponierten mit ihrem tosenden Geräusch und machten den 2 400 Dollar-Zeltplatz zum einzigartigen Naturschauspiel. Einziger Nachteil - plötzlich waren wir nicht mehr alleine. Tausende von Mücken freuten sich über den seltenen Besuch.
Eigentlich wollten wir früh morgens losziehen, wenigstens zur nächsten Schutzhütte. Für den Nachmittag war wieder Regen angesagt. Aber kaum weckte uns der Wecker (6.00), hörte ich erste Regentropfen auf unser Zelt prasseln. Hm, also zurück in den Schlafsack! 14.00, es regnete noch immer. Peter erzählte uns eine lustig-dramatische Geschichte eines ost-grönländischen Begräbnisses. 16.00, wir würden noch eine Nacht dort bleiben, war die Entscheidung. Was darf es also zum Nachtessen sein, Stock oder Couscous?
Irgendwie ist das Leben schon paradox. Zu Hause hätten wir wohl tausend Dinge erledigt, während wir dort vor lauter "Viel-Zeit-haben" Eisberge auf grönländische Art zählten: 1, 2, 3, … 12, viel… (Die Grönländer kennen nur Zahlen bis 12.) Derweil verlor die "stolze lady" ihren Kopf und die Aufzählung hätte auf unsere Schweizer-Zählart eh nicht gestimmt… Ja, es hatte x Sorten Eisberge – filigrane, mondäne - gigantisch! Vom "Dampfschiff" über eine "Badewanne", "Schnecke" bis hin zu einem "Schwan" gab es mit etwas Fantasie alles zu sehen.
Während einer kurzen Regenpause ging Fritz ins "Dorf", was in dieser abgeschiedenen Gegend soviel bedeutete, wie "ans Meer gehen", um dort ev einer Möwe zu begegnen. Mich packte die "Arbeitswut": Abwasch (= 3 Tassen und 1 Löffel!) im nahe gelegenen Bächlein. Schliesslich mussten diese bald wieder für die Suppe bereit sein, welche ich diesmal nach Zubereitungsanweisung herstellte… (Denn, ich weiss nun nicht, ob das für eine Ernährungsberaterin positiv oder negativ ist: Jedenfalls brachte ich am Vortag die Päcklisuppe nur mit Knollen zustande.)
Meine "Blasen-übersäten" Fersen zeigten sich über den Ruhetag besonders erfreut. Das 3M-Pflaster leistete beim Waten des Flusses gute Dienste, worüber nicht nur ich mich freute, sondern vor allem auch Peter, hatte er doch jegliche Art von 3M-Produkten letzthin sehr lieb gewonnen…
Erste Sonnenstrahlen kündeten den Tag an. Wie kleine Ameisen in einer gottverlassenen Gegend machten wir uns ans Werk: Die einen montierten die "Augen", die anderen stellten die "Ohren" an (was führte Fritz doch für eine illustre Gesellschaft umher!). Zelte abprotzen, Brot und Käse zwischen die Zähne schieben, Marschtee brauen und weg. Der Nebel stieg, wir auch, Richtung Mittivakatgletscher. Fritz glaubte zwar nicht recht daran, an diesem Tag den 931 m hohen Mittivakat-Gipfel besteigen zu können, stellte aber trotzdem den Kompass und Peter das GPS ein. In Gedanken versunken liefen wir am Seil "obsi". Plötzlich ging ein Vorhang auf, hinter und vor allem unter uns blieb das Nebelmeer zurück. Der Gipfel leuchtete uns in der Sonne entgegen. Er wollte uns empfangen! Sanft ertastete Fritz die Schneebrücken und führte uns sicher um und über die Gletscherspalten. Das letzte Stück auf den Gipfel war Kraxeln pur. Oben ein Steinmandli und grosse Stille. Wir genossen es. Elegant konnten wir also die mühsame Trekkingroute über Stock und Stein übergehen. Gut gemacht! Der auf dem Gletscher situierte Mondsee lächelte uns zu. Sein Stupfnäsi fand ich besonders attraktiv. Der Abstieg erfolgte nördlich zu einem namenlosen, länglichen See. Von dort schien mir die Strecke fast endlos entlang karger Blocksteine und rostigem Fels. Ich sehnte mich nach... wenigstens einer einzigen, farbigen, Blume! Am See 5 fanden wir ein angenehmes, allerdings mückenbestürmtes Plätzli zum Campieren. In einer nahegelegenen Schutzhütte entdecken wir riesige Free-Food-Schätze, welche doch das Nachtessen ganz toll aufpeppten. Der Vollmond verhinderte ein allfällig sichtbares Nordlicht, brachte aber ein ganz besonders idyllisches Licht ins Spiel.
Fr 11.8.2006 – Die Mordsetappe
Uns lockte der Gipfel direkt nördlich vom Camp. Er hatte zwar keinen Namen, aber immerhin laut Karte eine Höhe von 1050 m. Wir nannten ihn fortan "Monikas Sorgengipfel", da Peter hier wieder Handy-Empfang hatte und dringend in die Praxis telefonieren musste. Er machte sich schon die schlimmsten Szenarien aus, von wegen Heimreise, etc. Alles umsonst, wie sich herauswies. Oben auf dem Gipfel offenbarte sich uns ein 360° atemberaubendes Panorama. Traumhaft, die Welt schien uns zu gehören. Im Odlo-Shirt sassen wir eine geraume Weile dort oben und profitierten vom "gepressten Sahara-Sand" (eine etwas beschämende Bezeichnung für die Guetzli namens Marie aus der Schutzhütte - immerhin enthielten sie Kalorien und schmeckten süss oder zumindest süsslich). Über den Gletscher gelangten wir zurück zum Rucksackdepot. Nun ahnten wir (oder zumindest Peter und ich) noch nicht recht, was uns erwarten sollte.
Es war 14.00. Peter lief und lief, nein, speedete immer eine Hotelnacht in Aussicht, im "Höllen-Garacho" den Seen 4, 3 und 2 entlang. Die mit Glimmer und Quarz versetzten Blocksteine änderten ihre Farbe von rostrosa, weiss, elefantengrau, braun, grau, rot. Wankelmütig bewegten wir uns vorwärts. – Für meine Augen "hard work", sie sehnten sich nach weichem Grün. Von See zu See wurde mein Wunsch immer mehr zu Befehl. Auf dem immer breiter gestreuten "Islandmoos" lief es sich ganz einfach famos, selbst wenn auch das hin und wieder seine (feuchten) Tücken hatte.
Am Nordende des Sees 2 furteten wir eine wunderschöne farbige Landschaft, leider in Begleitung tausender mehr oder weniger stechfreudiger Mücken. Auf einer kleinen Anhöhe lud es förmlich zum "Zeltlen" ein. Auf dem See schaute eine einsame Ente vergebens nach einem Partner aus. Fritz fragte: Wollen wir hier bleiben? Peter dezidiert: Nein, wir haben das Hotel gebucht! Ok, wir hatten verstanden. Weiter im Takt! Die Blasen an den Fersen traten in den Hintergrund. Ich dachte an die verbleibende Strecke von ca 13 km bis Tasiilaq. Es war bereits 18.00. (In Grönland rechnet man eigentlich mit 2 km/h...) Von Bucht zu Bucht entlang des endlosen Sees 1. Wieder einladend: ein feiner Kiesstrand, traumhafte Abendstimmung, hm... Ich wäre gerne hier geblieben, Fritz auch. Peter meinte nicht ganz zu unrecht, am nächsten Tag könnte es ev. regnen. Also weiter... Plötzlich stürzte Peter bei einer Bachüberquerung und verletzte Hand und Schulter. An ein anständiges Nachtessen vom Hotel glaubend, vergass er wohl den Schmerz und lief tapfer weiter. Irgendwann schickten wir Fritz mit seinen langen Beinen voraus Richtung Nansen-Hotel, um uns anzukündigen. Peter und ich liefen in leicht gemässigterem Tempo weiter. Es dämmerte - allmählich erahnten wir die Wegstrecke nur noch im Dunklen. Der Tasiilaq-Fjord (Kong Oskar Havn) schien tausend Arme zu haben. Eine knifflige Bachüberquerung mit einer Holzlatte in Fussesbreite liess meinen Blick erstarren. Nein, das schaffe ich nicht! Doch, den Mutigen gehört die Welt und der Mensch kann weit mehr als er allgemein annimmt. Jedenfalls kam auch ich irgendwie rüber... Beim Wasserkraftwerk sattelten wir die Stirnlampen. Es war 23.00, noch regnete es nicht. Ein erstes SMS war der beste Beweis, bald die Zivilisation zu erreichen. Fritz: Room ok! "Well", das motivierte. Die Idee von einem Nachtessen hatten wir längst begraben. Die letzten Kilometer gingen flott voran, nun hatte es meist sogar ein kleines Weglein. Noch gerade "Heute" (5 vor 24.00) erreichten auch wir ziemlich geschafft das Hotel Nansen. Raus aus den schweren Schuhen. Meine Blasen konnten sich an diesem Tag nicht wirklich erholen... Dusche und Tiefschlaf. Kurz später begann es offenbar leicht zu tröpfeln.
Die Nacht im weichen Hotelbett tat unheimlich gut und beflügelte uns wieder. War der Vortag und die letzte Nacht eher eine (freiwillige) Tortur, so ist es doch im Nachhinein ein tolles Gefühl, dies geschafft zu haben und noch auf den Beinen stehen zu können, "gäu" Peter?! Laut Peters GPS liefen wir immerhin 34 km, weglos, machten ca 1300 Hm und waren 16 Std. unterwegs... Ein Blick aus dem Fenster brachte Leben in die Gemüter. Es klarte sukzessiv auf und die Landschaft erstrahlte im Sonnenschein. Bilderbuchwetter (also kein Regen!), nichts von Ausruhen und Erholen im Hotel. Den Aussichtsberg von Tasiilaq erkundend, kaum 500 m von der "Stadt" entfernt, bemerkte ich plötzlich einen Gefährten, der mir mit würdigem Respekt auf Schritt und Tritt folgte: Ein Husky - naja, das ist eben Grönland!
Das Hotel Nansen funktionierte übrigens auf imponierende Art und Weise: Völlig ökonomisch – jedenfalls schien es praktisch ohne Personal auszukommen. Morgens servierte ein Küchenbursche während 2 Stunden Frühstück für ca 5 Personen, indem er sozusagen Brotscheibe für Brotscheibe einzeln auftischte. Dann war "free house", den Rest besorgten die Gäste! Fritz wusste mindestens so genau wie der Küchenbursche, wo der Milchnachschub zu finden war. Wieso Personal anstellen, wenn es auch ohne geht? Dennoch müsste dieses Marketingkonzept langfristig "maybe" überdenkt werden.
Wiederum Prachtwetter, alles war tiefklar. Erstaunlich für uns, dass der Pilersuisoq am Sonntag offen hatte, ebenso erstaunlich, dass es dort nach wie vor kein Brot aufzutreiben gab. Der Bäckermeister sei in den Ferien. Was hat denn ein Bäckermeister während der Hochsaison, die immerhin höchstens 2 ½ Monate dauert, in die Ferien zu gehen??? Für die Inuits scheinen die Prioritäten anders zu liegen. Sie ernähren sich ja vorwiegend von Fischen und Robben - Sie stört ein allfälliger Brot-Engpass weniger als uns! Als Ersatz für die für uns Schweizer alltägliche Ware, gönnten wir uns halt köstliches Hefe- und Blätterteiggebäck zum Frühstück. Auch nicht schlecht! Es blies trotz Sonnenschein ein kräftiger Wind um die Ohren, die Temperaturen stiegen aber auf 19 °C an. "Rather pleasant!" Wir bestiegen den 679 m hohen Somandsjeldet oder Qaqqartivakajik. Auf dem Gipfel suchten wir uns die Lee-Seite. Dort war es herrlich mild, die Sicht auf das mit Eisbergen bestückte Meer – grandios! Peter grillierte an der Sonne. (Der ist noch beeindruckender als ich: Liegt ab und pennt.) Fritz beobachtete hundert Details mit seinen federleichten Feldstecher und erhält ein vielsagendes SMS von Manuela: "Nun werfe ich das Cheminée an!..." Ich schrieb Gedanken nieder, träumte vor mich hin und schweifte ab nach Belgien und damit den kürzlichen Tod von François, Fritz, Island (Die Eltern müssten es nun dort auch gut haben!)
Via farbenprächtiges Blomsterdalen gelangten wir zurück nach Tasiilaq. Dort planten wir mit Hans Christian Florian die Karali-Touren und erfreuten uns an den Wettervorhersagen vom DMI.
Es war zwar nicht Mittwoch, aber es gab Gschwellti zum Znacht. Fritz machte in der Gemeinschaftsküche den herrlichen Fund von "herrenlosen" Kartoffeln und hatte diese glänzende Idee. Oh, ich liebe Kartoffeln... Da ich mich beim Einkaufen lediglich auf die Farbe achtend, im Glas vergriff, reicherte ich unseren Speiseplan ungewollt kreativ an: Statt Randen- gab es Rotkrautsalat. Auch nicht schlecht.
Da kaufte ich doch am Vortag mangels Brot exklusive Frühstücks-Cerealien ein. Fritz meinte beim Zmorge diplomatisch, dass er diese nicht wirklich toll finde. Peter antwortete trocken, es stehe ja auf der Packung auch "Havre Fras"! Naja, diese Männer, haben die Ansprüche! Ich fand diese viereckigen Kissen ganz einfach originell...
Per gechartertem Boot erreichten wir bei schönstem Wetter den 80 km entfernten Tasiilaq-Fjord. Nun gings mit schwerem Rucksack (11-tägiges Trekking) den Gletscher hoch zur einzigen Alpenclubhütte von (Ost-)grönland im Karaligebiet auf 700 müM. (Wir hatten schliesslich noch Food, im Gegensatz zu zwei abgemagerten Australierinnen, die während 5 Wochen in dieser Gegend Kletterroute um Kletterroute erkundeten und nun sehnsüchtig auf ihr bestelltes Boot warteten.) Von weit unten sichteten wir das rotfarbene "Out-House". Welch’ sagenhafte Aussicht vom stillen Örtchen! Unten am Fjord hatte es erstaunlich viel Grün: Heidekraut, Flechten, Moos, Blumen... Wunderschön! Auch Pilze hatte es à gogo - Wenn wir diese besser gekannt hätten, wäre unser Speiseplan um einiges vielfältiger ausgefallen. Der Gletscher war aper, und die Spalten konnten gut umgangen werden. Das happige Stück folge anschliessend im oder am Fels. An einer Stelle kam ich mit bestem Willen nicht mehr weiter hoch. Gegen oben glatte Felsplatten, "Kugellager" unter den Füssen, hinten kämpfte der schwere Rucksack gegen die Erdanziehung und vorne vermisste ich ein paar Handgriffe. Fehlendes Vertrauen in mich und meine Schuhe, bremsten mein Vorhaben. Ein Blick gegen unten... wenig attraktiv, mir grauste beim Gedanken... noch "klebte" ich am Felsen, das war ja schon mal beruhigend. Ich überlegte mir schon mögliche Alternativen. Da stand plötzlich Fritz neben mir und meinte gelassen, ob es mir da gefalle... Er nahm mir den Rucksack ab, streute Zuversicht aus und... es ging! Die Hütte erstrahlte im Abendlicht. Herrlich, nur für uns! Aus übriggelassenem Food kochte Fritz ein lukullisches Risotto mit Säuerling, Heidelbeeren (oder etwas ähnlichem) und Thymian. Wir philosophierten in der Hütte und liessen es uns gemütlich sein.
Gipfel 1100 müM als Ziel. Der Gletscher gähnte, Hunderte von "Mäuler" schienen und was sagen zu wollen. Wirklich, sie murmelten und gurgelten. Der Anstieg war konditionell "peanuts", nur ca 400 Hm. Die Aussicht – wirklich "marvellous", obwohl das Wetter nicht nur "pc" war, sondern eher "c" (cloudy statt partly cloudy)... Der Blick frei aufs Karali-Base Camp: So etwas ähnlichem wie unserem Konkordiaplatz, nur in anderen Dimensionen. Wir beschlossen, nordwärts noch auf einen Sattel zu gehen, um noch mehr vom Gletscher und ev. unserem "Ausweg" (vom Karaligebiet) zu sichten. Es klarte immer mehr auf und wurde zum "sh", was aber nicht etwa "shit" bedeutete, sondern "sunny / hot", oder wie Fritz meinte, "sou-heiss". Nochmals weiter nördlich gelangten wir auf einen Grat von wo "meine" beiden Herren einen bis anhin namenlosen "Ghüder-Hoger" bestiegen. Von da an nannten wir ihn "Peters Peak". Ich ruhte mich derweil an der Sonne und saugte das wunderschöne Panorama in mich auf. Über den schneebedeckten Gletscher erreichten wir auf dem Rückweg ein Pausenplätzli, wo wir dem "sound of silence" zuhörten. Es blubberte, hämmerte leise und plätscherte im Gletscher. Durch ein Spaltenlabyrinth führte uns Fritz sicher zur Hütte zurück. Sofort setzte er sich ans Werk. Wir konnten draussen an der Sonne das Nachtessen einnehmen. Herrlich!
Fritzes Geburtstag. Was schenkt man in der Abgeschiedenheit Grönlands jemandem, der heute Geburtstag feiert? Zwar fand ich in der Tasiilaq-Fjeldhytte eine Springform, aber weder Ofen noch Mehl, etc. Also wurde es mit einem Geburtstagskuchen schwierig. Hm... Plötzlich hatte Peter die Idee: Wir schenken ihm einen Berg, es gibt hier so viele namenlose. Unser Ziel war also der südliche Gipfel mit der Höhe 1276. Die Gletscher auf Grönland halten sich an keine Regeln und Normen. Die Spalten schauten in alle Richtungen und mussten wirklich ganz sanft erspürt werden. "Geleise" würde mein Fritz sagen. Vom Gletschersattel aus lösten wir uns von der "Nabelschnur". Unangeseilt kraxelten wir das Geröll und die Granit- / Gneisplatten hinauf. Der Grat alleine beanspruchte bereits 1 Std 40. Oben kurz wieder etwas Gletscher, dann wurde das Gestein rot, grün. Fritz wollte den Gipfel "Donkey Hill" nennen. Er habe oben zwei "Güpfi", das seien die Ohren. Heute hatten wir wirklich Ruhetag. Mitte Nachmittag kehrten wir zur Hütte zurück, 25 °C am Schatten, an der Sonne noch mehr! Eine freundliche Einladung von unserer Hütten-Terrasse. Zum ersten Mal kürzten Fritz und ich unsere Hosen. Sinnieren, diskutieren, träumen, sonnen und geniessen hiess das Motto!
Am Abend bestiegen die Männer als "Dessert" resp. vor dem Dessert (isländische süsse Fruchtsuppe aus dem Hüttenvorrat) den 1280 m hohen Hüttenkogel, während ich von 9 Norwegern heimgesucht wurde... Vorbei die Hüttenidylle, vorbei die isländische Suppe!
Die grosse Frage war, ob wir über den Karali-Gletscher an den Sermilikfjord gelangen wollten oder durchs Tal. Variante Gletscher: Etwas monoton, aber keine Flüsse furten. Bei diesem Nebel allerdings wären wir dort auch ohne Sonnenschein ins Schwitzen gekommen. Die Gletscher waren zum Teil ganz schön offen. Also sprach alles für die Land-Variante. Kurze Zeit nachdem wir die Hütte verliessen, kündigten erste Regentropfen den immer feuchter werdenden Tag an. Ein steiles Schneefeld erleichterte uns den sonst auf Geröll und Schutt verlaufende Hüttenabstieg. Mit Steigeisen und Pickel "bewaffnet" meisterten wir auch diesen ersten Teil bravourös, wenn auch sehr konzentriert. Im Tal verlief die Route entlang Heidel- und Krähenbeeren. Nach meinem Gusto hätten wir davon ruhig noch etwas mehr ernten können. Na, vielleicht besser so, der Tag war noch lange, die zu bewältigende Strecke nicht minder. Fritz wollte uns weismachen, wir seien am Abend am Fjord Ningarti. Ich befürchtete, dass dem nicht so sein würde, denn die Strecke schien lange (gebrannte Kinder scheuen das Feuer und schliesslich liefen wir mit einer 100 000er Karte, also war 1 cm 1 km...). Die erste Furt eines Gletscherflusses war ja noch lustig, die zweite akzeptabel. (Das Wasser war ja soo kalt, es war mehr als "nur" erfrischend!) Auf die 3. und 4. Furt hätte ich gerne verzichtet - es war von oben nass, von unten nass... Etwas später trafen wir per Zufall die zwei Kanadier wieder, mit denen wir das Boot zum Tasiilaq-Fjord gechartert hatten. Sie wussten von einem "Zeltplatz". (Das sind in Grönland keine besonders eingerichteten Plätze, mit Facilities und Unterständen, sondern einfach ein Plätzchen, wo man sein Zelt einigermassen flach und weich und nicht im Geröll oder Sumpf aufstellen kann.) Gott sei Dank liess sich Fritz erweichen! Es war zwar nur eine Sandbank, aber man wird bescheiden... Kaum dort angelangt, begann es richtig heftig zu regnen. Null Bock zum Kochen, obwohl mein Magen schon längst knurrte! (Ausser einem Getreideriegel und einigen "Hütten-Rosinen" hatte ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und es war schon fast 18.00.) Nur ab ins Zelt und warten... auf bessere Zeiten. Schrr, chrr, chrr - Peter schlief bereits während ich meine Jacke flicken musste. Katzenwäsche für die Augen (Linsen). Als sich der Regen etwas legte, benutzten Fritz und ich die Gelegenheit, Spaghetti in die Pfanne zu rühren. War das fein! Für Peter gabs sogar "Zimmerservice".
5.55, zuverlässig ertönte um diese Zeit der Wecker. Noch tröpfelte es etwas. Peter und ich hatten nicht gross Lust, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen. Doch, no chance! Sobald es etwas nachliess, resp. mit etwas Optimismus praktisch aufhörte, meinte Fritz, wir sollten die Gelegenheit packen. Phu, alles voller Sand: Der Rucksack, die Kleider, die Hände, na ja, sogar zwischen den Zähnen "chräschelte" es.
Wir kamen erstaunlich flott voran. Zu Furten gab es zwei Flüsse im "Vollprogramm" (was so viel bedeutete, wie Rucksack deponieren, Schuhe, Socken und Hose ausziehen, oder Letzteres wenigstens hochkrempeln, Dreck von den Schuhen schütteln, diese zusammenbinden und um den Hals legen, nach Wunsch und Fluss-Charakter Sandalen anziehen, Rucksack wieder hochstemmen, Stöcke in die Handschlaufen nehmen und sachte das eiskalte Nass abtasten - ja nicht ausrutschen oder sich vom Strom mitreissen lassen, hiess die Devise. Endlich auf der gegenüberliegenden Seite angekommen, einen Stein suchen, Rucksack und Schuhe ablegen, Schuhe entbinden, Socken aus den Schuhen ziehen, die erstarrten Füsse trocknen und säubern, um ja keine kleinen Sandkörner mehr zwischen den Zehen zu haben, Schuh für Schuh wieder montieren und endlich die angenehme, wiederkehrende Wärme spüren... Je nach Fluss dauerte das Prozedere zwischen 10 und 30 Minuten). Zwei Flüsse konnten wir überlisten: Balanceakt zwischen Blöcken, immer in der Hoffnung, sie dort zu sehen, wo sie waren und dass sie nicht zu "glitschig" waren. Beim Fjord Ningerti wechselte die Strecke in wunderschöne, weiche Heide- und Mooslandschaft, welche zum Teil schon in Herbsttönen erstrahlten. Schade, dass die Sonne nicht schien, im Gegenteil, es fing immer heftiger an zu regnen. Wir beschlossen dennoch, weiter zu ziehen, alles der Küste entlang. Oh, der mit Eisbergen buchstäblich gefüllte Fjord müsste bei Sonnenschein eine wahre Augenweide sein! Unterwegs begegneten wir einem Schwarm Wildgänse, welche Peter hemmungslos mit mir verglich: Selbst während einer Mordsetappe würden die noch immer Schnattern, so wie ich, hm...! (Peter, war das nun ein Kompliment oder nicht?) Nach 8 ½ Std erreichten wir "pflotschnass" ein einladendes Plateau: Flacher Boden, Blick aufs Meer und Wasser in der Nähe (ich meine von unten). "Hier bleiben wir und warten bis die Sonne mal wieder scheint und unsern Krimskrams trocknet..." Ja vielleicht nicht ganz.
Eigentlich gibt es auf Grönland überall (sogar auf den Gletschern) "fliessendes" Trinkwasser, jedenfalls ausserhalb der Dörfer. Dort müssen viele Grönländer für diesen Zweck die Wassertanks aufsuchen.
Kaum gestartet - es lagen lediglich noch Nebelschwaden in der Luft - gabs einen "höllen" Gletscherfluss zu furten, die Eisberge nur wenige Meter von uns entfernt. Peter musste nach vollbrachter Tat die Unterhosen wechseln, fast hätte es ihn im Strom umgehauen. Ich war ganz schön froh über meine Grönlandsandalen, so konnte in diesen Fluss wenigstens hemmungslos abgestanden werden. Alle drei heil drüber, kam langsam wieder Leben in unsere halb gefrorenen Glieder. Nun war die grösste Herausforderung nur noch, wie man mit einem klitschnassen Tuch die Füsse wieder trocken reiben konnte - auch das gelang. Ein gestrandeter Eisberg diente mir würdig als "Baumersatz" - das kalte Wasser trieb ganz schön... Wie frisch belebt, marschierten wir über Moos und Flechten oder über flache Steinplatten. Zu unserer rechten erstrahlte immer eindrücklicher der mit Eisbergen dicht bestückte Sermilikfjord. An einer Bucht bot Fritz uns 7 Tage altes Roggenbrot mit 15 000 Jahre alten Eiswürfeln an. - Vielleicht nicht jedermanns Gusto, aber zweifelsohne ganz exklusiv!
Auf einem kleinen Plateau rasteten wir ausgiebig, trockneten die Zelte, Kleider und Rucksäcke, tauschten den Regenhut mit der Sonnenbrille aus, strichen dick Sonnencreme auf (Meine Ohren waren nämlich schon längst verbrannt, trotz nicht nur schönstem Wetter...) und liessen es uns so richtig gut gehen. - Das nenne ich F E R I E N ! Peter wollte am liebsten dort bleiben. Er träumte von Lisa und begann sich an der wärmenden Sonne zu rasieren. Das lenkte gedanklich wohl etwas von den bevorstehenden 3 - 4 Std. Marsch ab.
Romantisch führte die Strecke der Küste entlang. Ein Teilstück wäre bestimmt nichts für Schwindlige gewesen. Ich schaute runter: Oh, wenn diese Tritte nicht sitzen, werde ich 20 m weiter unten bestenfalls einen Eisberg umarmen oder halt im eiskalten Wasser schwimmen gehen... (Peter meinte überzeugt: Nein, mit diesem "Chog" - so bezeichnete er die Rucksäcke - würdest Du tauchen!) Also, konzentrieren. Eigentlich wollten wir noch eine oder zwei Furt-Strecken hinter uns bringen, um morgen den Tag nicht mit einem "kalten Bad" zu beginnen. Im Führer aber stand geschrieben, dass der grössere der beiden Flüsse bestenfalls bei Ebbe gefurtet werden könne. Da die Ebbe erst anderen Tags um ca 10.00 wieder war, hausten wir unweit vom Fjord. Endlich mal konnten wir ohne Regen kochen und unser Travellunch geniessen (ein Souvenir aus der Tasiilaq-Mountainhut). Bisher ekelte mir davor, preislich wie auch geschmacklich, aber da diese Art von Nahrung in der Hütte übrig blieb, packten wir die Gelegenheit beim Schopf und testeten drei Sorten. Fazit: nicht wirklich extrem exquisit, aber durchaus essbar! Ein Polarfuchs kam jedenfalls fleissig vorbei. "Vielleicht könnten wir ja was übrig haben..." Von nun an kannten wir die Wetterprognosen nicht mehr. Wir hofften, dass es trocken und schön bleiben möge.
Die gefürchtete Furt erwies sich für Geübte wie wir etwas überheblich ausgedrückt als "Nasenwasser". Klar mussten wir dabei wieder einmal "die Füsse waschen", aber das Wasser reichte nur knapp unter die Knie. Später stimmte die 100 000er Karte erstmals nicht mit der Realität überein: Der Fjord Ikaasaalaq reichte viel weiter ins Landesinnere als aufgezeichnet, was uns natürlich zusätzliche 3 - 4 km bescherte. Erstaunlicherweise war nun kaum mehr ein Weglein auszumachen, obwohl wir von ganzen Gruppen wussten, die diese Strecke vor kurzer Zeit (von der anderen Seite her) unter die Füsse nahmen. Fritz - den Blick immer geschickt nach vorne gerichtet - führte uns entlang der Höhenkurven, Moosbänkli oder auch über Stock und Stein, so dass unser Gleichgewichtssinn täglich neu unter Probe gestellt wurde.
Fritz musste sich punkto Wetter einiges anhören, da er uns schliesslich mit bloss 5 Regentagen pro Monat (so die langjährige Statistik) nach Grönland lockte. Heute warf Peter für 1 Minute Schatten, also war "heute Sonntag" ein Sonnentag, was Fritzes Wettervorhersagen massiv in ein besseres Licht versetze. An einem wunderschönen Plätzchen mit Sicht auf die Eisberge liessen wir uns für die Nacht nieder. Ein trockener Abend mit "getrockneten-Zucchetti-angereichertem" Stock, Käse und den gewohnten "staubigen" Maries zum Dessert rundete den Tag ab. Auch gab es wieder einmal ein "Gutnacht-Gschichtli" von Peters Grönlandbuch "Zu viel Glück auf einmal". Diesmal gings um Lords Lokus. Das Buch zeigte sich mit dem Besitzer solidarisch und nahm während des Trekkings einen etwas nachgenommen Zustand an. (Es gab eben doch Regentage...)
Mo 21.8.2006
Als um 5.55 überall Nebelschwaden in der Luft hingen, handelten wir mit Fritz noch ca eine Stunde Zusatzschlaf aus. Aber eben, laut Fritz, war es ein Wandertag und so waren auch wir um 9.00 startbereit. Es stand eine "easy-Strecke" bevor, nur ca 14 km und das ohne viel Höhenmeter. Widererwarten posierte beim See 13 plötzlich ein breitarmiger Fluss. (Die Seen tragen in Grönland iR keine Namen. Die 13 bedeutet die müM.) Unmöglich, trockenen Fusses an die andere Seite zu gelangen. Also furteten wir dieses "Ungeheuer" einmal mehr im "Vollprogramm". 1. Flussarm passiert, 2., 3. etc. - er wollte nicht mehr enden! - Das Wetter war sich nicht so einig. Es zeigte uns allerhand Möglichkeiten auf, wählte dann aber für den Nachmittag das Programm "Regen". Hm, Eigentlich hatte ich mir Zeltlen und Trekken schon etwas trockener vorgestellt! Fritz wollte unten am Fjord Amitsivartiva ein oder zwei Nächte verbringen. Dort behagte es mir aber nicht wirklich. Es roch nach Algen und war zudem überall sehr feucht (logisch nach all dem Regen). Obwohl dieser gewöhnungsbedürftige Duft offenbar nur mir in die Nase zu stechen schien, stiegen wir ca 50 Höhenmeter hoch. Dort gefiel es mir besser, bloss verregnete es uns "ghörig" beim Zelte aufstellen.
Di 22.8.2006
Wie ein vorbeifahrender, endloser Güterzug, dröhnte der vis à vis gelegene, wuchtig in die Tiefe donnernde, Gletscherfluss und wechselte sich ab mit den monotonen, langsam etwas nervigen Regentropfen, welche ausgiebig auf unser Zelt prasselten. Also Grund genug, sich noch ein weiteres Mal auf der harten Karrimat zu wälzen. Lust zum Aufstehen verspürten wir nicht wirklich. Irgendwie hatten wir während unserer "Camping-Tage, resp. -Nächte" nicht das grosse Los gezogen. Es war wirklich etwas zu oft etwas zu feucht! Schade, wir planten für diesen Tag nämlich einen Tagesausflug mit einem kleinen Rucksack. Das wäre auch für Peter, der sich mit seinem 20 kg schweren "Chog" noch immer nicht angefreundet hatte, das Gelbe vom Ei gewesen.
Ich hatte also Zeit, nachzudenken über die schwere Zeit vor den Ferien, über Frideli und wie es ihm wohl alleine im Adlerhorst ergehe, ob ihm die Wohnung ohne mich gar leer und öde vorkomme und ob er all die Pendenzen, die er im August angehen wollte, gepackt habe und ob er mit Franz Baumgartner zum Canyoning ging und ob er wegen seiner Verletzungen nach wie vor nicht in der Aare Schwimmen dürfe. Weiter dachte ich natürlich auch an François und dass er nicht mehr unter uns ist. Wo ist er jetzt? Diese Frage habe ich mir bis anhin nie gestellt, bei François ist das anders!
Fritz leihte mir seinen MP3-Player aus, während er trotz Regen kurz spazieren ging. Da muss ich also in die Abgeschiedenheit Grönlands gehen, um mit dieser modernen Technik erstmals in Kontakt zu kommen. (Respektiv: zu Hause wartet ja auch ein nigel-nagel neuer iPod auf Fritz, den er sich durch kräftiges Jammern "verdient" hatte. Vielleicht ist auch dieser jetzt durch Fritz in Betrieb genommen worden - er war auch auf seiner Pendenzenliste...) Ich muss sagen, ich kam allmählich auf den Geschmack. So klein und so viele Stücke drauf! Genial, an einem verregneten Tag wie damals. 19.10: Es regnete noch immer. - Mein Magen knurrte. Wilde Gedanken an feinen Käse, Gemüse in jeglicher Vielfalt, einen köstlichen Tropfen... streiften mir durch den Kopf. Ich sehnte mich nach Joghurt, Surmjölk, saftigen Früchten. Vielleicht bin oder war ich verfressen, jedenfalls liessen mir diese Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammen laufen. Also: Dauerregen hin oder her, ich musste schauen, ob Fritz einverstanden war, seinen Benzinkocher anzuwerfen, sei es auch nur für eine feine Suppe mit Stock. Ich habe Hunger! Dann konnte die Schlafkur wieder weitergehen. Peter war froh über den notgezwungenen Ruhetag. Zu meinem grossen Erstaunen stiess er in den letzen Tagen doch einige Male an seine Grenzen. Er fragte mich jedenfalls bis anhin nie, ob ich mit ihm am Abend noch eine "Runde" joggen kommen würde...
Mi 23.8.2006
Das Wetter versprach nicht viel Gutes. Dennoch brachen wir auf, um rechtzeitig in Tiniteqilaq anzukommen. Am nächsten Tag wollten wir mit dem Kursschiff zurück nach Tasiilaq. Eigentlich habe ich in den letzten Tagen nichts anderes erlebt, als das was ich von früheren Trekkings auf Island zu genüge kenne, aber zugegeben, bei Schönwetter wäre "Zeltlen" schon idyllischer. Laut Peters Suunto-Uhr befanden wir uns mitten in einem Tiefdruckzentrum - das konnte ja unmöglich trocken ausgehen! Einen Vorteil hatte die ganze "wässerige" Angelegenheit: Meine Bergschuhe hatten nach dem x. Mal "pflotschnass-sein" begriffen, welche Form sie annehmen mussten, damit sich meine Füsse darin pudelwohl fühlten. Jedenfalls spürte ich meine Blasen längst nicht mehr. Fritz führte uns gekonnt durch den dichten Nebel. Die Strecke verlief über Steinplatten, Krähenbeeren und Moos, entlang vieler kleiner Seelein. Bei Sonnenschein müsste das traumhaft aussehen! Peter warf die letzten paar Einheiten ein. Es lief ihm besser als die Tage zuvor: Fritz nahm ihm das Seil ab und ich das Innenzelt. Kurz vor Tinite (wie die Einheimischen aus verständlichen Gründen abgekürzt sagen) bereitete ich mich moralisch auf eine weitere nasse Zeltnacht vor. Peter grauste bei diesem Gedanken. Da brachte Fritz plötzlich die Idee auf, bei Privaten Unterkunft zu suchen. Peter strahlte - ich hatte nicht wirklich etwas dagegen. Zeichensprache klappte, wir kamen zwar nicht privat unter aber im sogenannten Service Center, dort wo ganz Tinite zum Duschen, "Geschäft erledigen" und Waschen kommt. Wir schätzten die grosse Küche und den Internetanschluss. - "How nice to be back in civilisation!" (auch wenn es nur in einem 157 Seelen-Dorf war). Kurz vor Ladenschluss bestürzten wir den kleinen Pilersuisoq und kauften ein, als hätten wir die letzen Tage nichts mehr zu essen gekriegt: Orangen, Spaghetti, Käse, Chips zum Apéro und für Peter ein "Öl" (Naja, ein bisschen abgenommen hatten wir während diesem Trekking wohl schon.)
Do 24.8.2006
Der "Gemeindepräsident" wies uns auf etwas ungewohnte, aber klare und leichtverständliche Art ausser Haus: "9 o'clock out!", mitsamt Gepäck. Also deponierten wir die Rucksäcke in Reih' und Glied draussen vor dem Service Center, packten Jacken, Sonnenbrille (ja richtig, die Sonne versuchte kräftig durch den Nebel durchzudringen) und Orangen ein (die wir an diesem Morgen schon wieder gekauft hatten, das Manko war doch recht gross...). Mystisch tauchten die Eisberge "nah-dies-nah" im Fjord auf, der Himmel wurde immer blauer (welch' eine Wohltat!). Wir stiegen nördlich von Tinite auf, von wo wir am Tag zuvor gekommen waren und genossen die prächtige Sicht. Um ca 13.00 erreichte das Kursschiff den Hafen. Emsig wurde ein-, respektiv ausgeladen - die wöchentliche Attraktion fürs ganze Dorf! Unglaublich, wie viel Ware an Land musste - tonnenweise Bier und Süssgetränke, was meiner Meinung nach nicht wirklich Sinn macht! Mit etwas Verspätung traten wir die Rückreise nach Tasiilaq an. Das Boot führte uns durch den halb vereisen Sermilikfjord, vorbei an unserem 24 000-Dollar-Zeltplatz. Draussen am Deck war's infolge Fahrtwind zwar teils recht kalt, aber traumhaft durch all diese meterhohen Eisberge zu gleiten. Im Hotel Nansen herrschte diesmal Hochbetrieb - fast beängstigend all diese Leute - für uns inzwischen ganz ungewohnt! Diesmal sahen wir sogar "Staff". Kristin versuchte uns irgendwo unterzubringen, denn offenbar hatte sie erst am folgenden Tag mit uns gerechnet. Wir kochten uns herrliche Gschwellti mit luxuriösem Accessoir (jedenfalls im Vergleich zu den letzten 11 Tagen). A gogo füllten wir unsere Mägen, so dass ich mit einem Riesen-Magenkonzert in den Schlaf gewiegt wurde. Im Gegensatz zu meinen Beinen, schien mein Magen verlernt zu haben, so hart zu arbeiten.
Fr 25.8.2006
Da die Wetterprognosen für die kommenden drei Tage besser waren als später, entschlossen sich Fritz und ich, auf eine 3-tägige Zelttour Richtung Polhelmsjeld, 1003 m, zu gehen. Peter wünschte sich nichts mehr, als Erholung und blieb deswegen im Hotel zurück.
Erwartungsvoll suchten wir uns am Hafen den erstbesten Fischer mit Boot auf, fragten, ob und zu welchem Preis er uns auf die gegenüberliegende Seite des Kong Oskars Havn-Fjord führen würde. Er schluckte hastig seine Pflaume (!) runter und deutete, wir sollen einsteigen. (So flott hatten wir uns das nicht vorgestellt und ehrlich gesagt, war es mir nirgends recht, dass er diese wertvolle Pflaume - ich vermute, die gibt es auf Grönland nur einmal jährlich und wohl nur stückweise geliefert - halb angegessen ins Meer warf, um uns nicht länger dort stehen zu lassen.) Als wir ihm nach einer Viertelstunde Überfahrt die verlangten DKr 100.-- entgegen streckten, schaute er uns mit fast glänzenden, ungläubigen Augen an - Welch' dickes Geschäft am Morgen vor 8.00! Ich glaube, mit "so viel" hatte er selber nicht gerechnet. (Wohl aber war "hundred" das einzige englische Wort, das er beherrschte.)
Wir verglichen den Tourenführer mit der auf der Karte eingetragenen Route zum Polhelmsfjeld und stellten Unstimmigkeiten fest. Obwohl wir eigentlich mit Wegspuren gerechnet hatten (wir wussen von kürzlichen Besteigungen), gab es keine zu sichten. Auf ca 500 müM deponierten wir meinen Rucksack. Famos! Nun hatte ich Privatführer und Sherpa in einem... Weiter über viel Geröll erreichten wir die Südwestkante des Polhelmsfjeld. Auf ca 700 müM legten wir uns an einem grandiosen Plätzchen nieder. Wir waren bestimmt die Erstbesteiger dieser Südwestkanten-Route... Zugegeben, es fehlten uns noch ca 300 Hm bis zum Gipfel, aber da es weiter oben ohnehin neblig war, spielte das ja keine Rolle...! Nun wissen wir, dass die Route weder im Führer noch in der Karte richtig war. Runter folgten wir eine Zeit lang einem Schneehuhn. Als Einheimisches musste es wohl wissen, wo es am praktischsten lang ging... Naja, als es dann kühn seine Flügel spreizte, wählten wir zwangsläufig wieder unseren eigenen Weg. Am Ostende des legendären See 1 stellten wir an einem idyllischen Plätzchen unser Zelt auf.
Sa, 26.8.2006
Ging es während dem letzten Trekking auch etwas spartanisch zu, da niemand Lust hatte noch mehr mitzuschleppen, liessen wir es uns diesmal richtig gut gehen. 2 Sorten Muesli, 2 verschiedene Brottypen, Käse, diverse Nussmischungen, Schoggi, Orangen und Aepfel fand ich bei unserem Frühstücksbuffet am See. Wau, welch' verführerischer Anblick - meine halb gefrorenen Glieder gerieten fast ins Wanken. Die Nacht war nicht wirklich heiss! Bereits um 7.00 marschierten wir strammen Schrittes los. Plötzlich entdeckte Fritz ein uralter, verwitterter Holzski mit Lederriemen - also waren schon mal Leute dort... Ein steiles Geröll-Couloir führte uns direkt an einen tiefblauen kleinen Gletschersee, welcher durch eine Gletscherzunge getrennt war. Wir stiegen diese hoch in Richtung Sofiasfjeld, Weiter oben genossen wir die wunderschöne Gratwanderung, wobei Fritz an einer Stelle als "Bergreinigungsmaschine" fungierte. Er trennte "Güsel" von "Währschafterem". Ich schaute mir das Ganze zweifelnd an und beschloss dort nicht hochzusteigen. Also demütigten wir den Sofiasfjeld und liessen ihn links, resp. rechts, liegen. Wenig weiter lockte ein anderer, leicht höherer, Gipfel mit einer phänomenalen Aussicht. "Da bringsch mi nid so schäu wieder achä, Fritz!" Wir entdeckten mind. 30 Seen in der Umgebung und viele Gipfel, die wir in den letzten Wochen bereits besucht hatten. Beim Abstieg stiessen wir etwas weiter unten per Zufall auf den 2. Ski. Nun fehlt nur noch der Skifahrer, fuhr mir durch den Kopf...
Nach einer schönen Rundtour nahmen wir das Nachtessen inmitten Tausender von Mücken ein. Weniger toll! Pro Mücke in der Suppe gab es ein Digestiv-Guetzli! Blödes Spiel, Fritz hätte gewonnen, nur gingen uns die Digestiv zu schnell aus. Die Digestiv köstigten wir schliesslich "mückenlos" (dank Mückennetz) ins Zelt verbannt. Für diese Nacht hatte ich sogar meinen Wollenpully hervorgekramt. Einerseits um nichts vergebens mitgenommen zu haben, andererseits erhoffte ich mir dadurch eine etwas wärmere Nacht.
So, 27.8.2006
Schon wieder schön. Nett, das Zelt mal trocken zu versorgen! Das Wetter stimmte uns zuversichtlich und setzte uns unter Tatendrang. Der See 1-Ausfluss sollte unsere nächste Hürde sein. Das Wasser im Fluss war blau und tief, eben "tief-blau" und an den engsten Stellen zudem reissend. Unmöglich zu passieren! Wir versuchten es weiter unten Richtung Wasserfall, dort bildete sich eine Art "länglicher See", also musste er wenigstens weniger tief und reissend sein! Vorsichtig wagte ich mich hinein. Schon fast "reizend" - das Wasser war mind. 5 °C und damit weit wärmer als die bis anhin gefurteten Gletscherflüsse. Super, wir hatten es geschafft!
Dem See 1 entlang trekkten Fritz und ich flott über Sandbänke und Flechtenarten. Ziel war der namenlose, trügerische Berg mit der Höhe 962 m. Über Granitplatten, Schotter, Blöcke und Kies meisterten wir in Diretissima Etappe um Etappe. Der Gipfel wollte nicht zum Vorschein kommen obwohl wir schnell voran kamen. Einmal oben angelangt, wollten wir eigentlich auf der anderen Seite runter. So hätte ich auf elegante Art das doofe Brüggli (1 Holzlatte in Fussesbreite) umgehen können... Versuch gescheitert! Es war zu viel Geröll im Steilhang. Ich fürchtete mich ein Bisschen vor dem Abstieg, auch in der Richtung von der wir gekommen waren. Es war teils wirklich auch steil. Fritz strahlte aber so eine Ruhe aus, zeigte mir falls nötig mit 3 D-Sicht die feinen Rissli im Fels, wo ich meine Ferse oder Fussspitze platzieren konnte. So kamen wir zügig vorwärts. (Für ihn war es offenbar mit mir eine neue Art zu wandern. Während er sonst immer die grössten Blöcke sucht, musste er mit mir kleinere Steine wählen, auf denen es für meine Augen eben besser lief.) Über Frühlingsschneefelder im August gelangten wir tiefer ins Tal, wo ein heimtückischer "gschlifriger" Stein beim Furten eines kleineren Baches mich ins Nasse zog. Jetzt, wo meine Schuhe schon fast wieder trocken waren...! Etwas weiter unten kippte ein Stein als ich darauf stand und fiel auf mein Knie. Mmh, schön tapfer sein - es wird schon besser gehen! "Mein Brüggli" kam wie es zu erwarten war und brachte mich einmal mehr ins Schwitzen. So blöd, aber ich schaffte es nicht alleine! Fritz konnte mich wohl nicht ganz verstehen (Zitat: Eine, die so die Berge hinauf und hinunter kraxle, werde wohl noch geradeaus laufen können...) Schliesslich meinte er aber leicht tröstend: Andere würden im Verlauf ihres Lebens noch weit schlimmere Phobien entwickeln. Danke!
Zurück im Hotel Nansen: Rapportaustausch mit Peter. Nachtessen im Hotel: Mixed pickles, Pommes, Poulet, Glace - nicht schlecht! Während ich eine weitere "Runde" Ansichtskarten schrieb, versuchte Fritz von Peter abendfüllend zu erfahren, wieso er nicht lieber Zeltle... In der Nacht war der Himmel klar und ermöglichte uns den Anblick eines Nordlichtes. Es war zwar noch etwas fade von der Ausstrahlung her, die Formen aber beeindruckten. Als weiteres Highlight sah ich erstmals eine Sternschnuppe. Blöd, ich war gar nicht darauf vorbereitet und hatte somit keinen Wunsch bereit!
Mo 28.8.2006
Easy-day: Mit dem Kursschiff zum 117 Seelen-Dorf Isertoq und wieder zurück nach Tasiilaq. Dieser Ausflug diente uns auch dazu, dem Inlandeis ein bisschen näher zu kommen, da wir ja nun darauf kein Trekking gemacht hatten. "Zu monoton", hatten wir uns gedacht. Es war ein angenehmer Tag inmitten Hundersten von gigantischen und fantasievollen Eisbergen. Bei der Planung des nächsten Tages entschied ich mich fast schweren Herzens für einen "freien Tag". Die Männer wollten von der Sonne profitieren und eine 10stündige Bergtour machen. Das reizte mich zwar auch - aber ich wollte meinem Körper und Geist einen ruhigen Tag an der Sonne gönnen.
Di 29.8.2006
Seit ein paar Tagen wurde es nachts dunkel. Diese Nacht war es bitter kalt, was uns buchstäblich "kühl" liess - schliefen wir doch im Hotel Nansen. Tausend Sterne erweckten den Blick zum Himmel und... welch' Spektakel bereitete sich sonst noch am Himmel vor? Wieder eine Sternschnuppe und ein Nordlicht. Mystisch zog es seine Schweife - noch nicht so grün wie damals in Island, aber dennoch fantastisch.
Im grossen Pilersuisoq kaufte ich mir eine grönländische CD, und machte mich dann auf den Weg zum See 168. Ich wollte ihn umrunden und via Flowervalley wieder zurückkehren - was dann sicher auch 20 km gewesen waren (so von wegen "Ruhetag..."). Aber das Wetter verführte einem dazu - stahlblauer Himmel! Vielen Mücken ging über Nacht der Schnauf aus. Sie warten in gefrorenem Zustand auf den nächsten Frühling oder die Reinkarnation, nur die besonders Robusten (von denen es noch immer Tausende gab) störten mich beim Karten- und Tagebuchschreiben. Mein Blick schweifte zum kleinen Gletscher vom Ymersfjeld rüber. Dorthin führte unsere erste richtige Tour mit Gstälti am Fels und auf dem Eis. Dazwischen lagen praktisch vier Wochen Abenteuer, tolle Erlebnisse, unzählige Kilometer, ein paar Schweiss- und leider auch unzählige Regentropfen, fröhliche, ausgelassene Diskussionen, ein paar Blasen und Druckstellen, romantische Zeltplätze.... Wunderbar, das alles erlebt haben zu dürfen! Heute lief ich ärmellos. Es war, sagen wir, sehr heiss. Jedenfalls staunte ich nicht schlecht, als eine grönländische Familie splitternackt in einem See im Blumental badete.
Mi 30.8.2006
Abfahrt von Tasiilaq. Das Kursschiff wollte bereits ½ Std. früher abfahren, derweil Fritz noch ein letztes Mal einen kleinen Hügel in der Umgebung besuchte... Die Schifffahrtsgesellschaft ging ihn mit dem Auto suchen. So ein Schlaumeier - uns liess er tapfer mit dem ganzen Gepäck an den Hafen strolchen, während er sich auf elegante Art abholen liess! Die Überfahrt nach Kulusuk verging schnell. Die Eisberge hatten in den letzten 4 Wochen massiv abgenommen, das Meer wirkte viel blauer, zumal die Sonne schien. Der Chauffeur vom Hotel Kulusuk holte unaufgefordert unser Gepäck ab - ideal, um anschliessend "lastlos", aber lustvoll das Dörfchen auszukundschaften. Am Nachmittag bestiegen wir über den wunderschönen Grat teils kraxelnd den 676 m hohen Qalorujoomeq. Oben genossen wir die fantastische Rundsicht. Von Osten her überdeckten leichtes Gewölk den bis anhin tiefblauen Himmel. Auf der Südseite wieder runter. Um 18.00 (so früh) waren wir rechtzeitig fürs Nachtessen zurück. Peter und Fritz spielten Schach - ich versuchte ihre Züge zu verstehen.
Do 31.8.2006
"Meine Männer" vollbrachten beide eine Wohltat, während ich genüsslich das Hotelbett auslebte. Fritz nahm sich einem gestrandeten Eisberg an und verhalf ihm wieder auf eine freie Laufbahn im Meer. Peter joggte auf Geröll oder Moos tapfer eine Runde, um schliesslich beim Morgenbuffet guten Gewissens zuschlagen zu können. Ja, ich begann eigentlich auch eine gute Tat: Telefonierte ich doch Iris und organisierte uns den Pick-up vom Domestic Airport in Reykjavik und ein herrliches Nachtessen bei Mamma Disa! Nach ein paar letzten Kartengrüssen besuchte ich sinnierend ein letztes Mal den Strand, blickte auf die Eisberge, denen ich so schnell wohl nicht mehr begegnen würde. In den vergangenen vier Wochen hatte ich zu Grönland einen Zugang erhalten und das Land irgendwie lieb gewonnen.
Hinter uns liegen ganz viele eindrückliche Erinnerungen an eine eigentümliche, abartige fremde Gegend mit liebenswürdigen, fröhlichen und - zumindest sprachlich gesehen - unverständlichen Menschen.
Bye bye Grönland, takkuk.
Baka til Reykjavikur:
Iris organisierte für Peter und Fritz ein Guesthouse und ein Mietauto und führte uns schliesslich zu Disa und Joi. In Ottars Haus mit fantastischer Sicht aufs freie Meer (bisher glaubte ich, in Münsingen an einer einmaligen Lage zu wohnen...) genossen wir das herrliche Essen mit isländischen Frischkartoffeln, Rüebli, Broccoli (endlich wieder einmal Gemüse!) und eigenem Salat. "Mjög gott", wie immer! Später bestaunten wir die niedergehende Sonne und den Blick zum Snaefellsnesjökull, den ich im 2000 mit meinem Fritz zusammen bestiegen hatte.
Plötzlich tauchte in voller Länge Ottar auf. Welch' grosse Freude! Wir fielen einander um den Hals, wie anno dazumal. Einziger Unterschied: Dazwischen war seine 1-jährige Tochter Aldis. 19 Jahre kennen wir einander. Vieles ist dazwischen geschehen, aber es ist soo schön, mich in seinem Haus, wo nun auch Joi und Disa wohnen, irgendwie "zu Hause" zu fühlen. Später brachte Joi "meine Männer" ins Guesthouse zurück.
1.9.2006
Fritz und Peter kamen mich im Auto holen. Ziel: Gullfoss, Thingvellir und Geysir - Peter musste diese klassischen Sehenswürdigkeiten gesehen haben! Am Abend platzierten sie mich vor Ottars Haus. Sie zogen anschliessend weiter Richtung Reykjanes-Halbinsel. Ich wurde von Disa einmal mehr herrlich verköstigt: Panierter Fisch, rote Kartoffeln und Salat aus Ottars Garten. Fröhlich zeigte sie mir das extra für mich gebackene Rugbraud und war offensichtlich glücklich, mich noch eine Nacht dort zu haben. Später stieg ich ins Obergeschoss, um Ottar kurz tschüss zu sagen, was dann aber etwas dauerte: In seiner modern eingerichteten Wohnung genossen wir die Ruhe, die phänomenale Aussicht und die ausgiebigen Gespräche. Erinnerungen erweckten unsere Gemüter. Bless, bless, Wir weden uns wieder sehen!
Irgendwann musste ich dann meine 5 ½ Liter Surmjölk und Disas Brot im Gepäck verstauen. Es stand eine kurze Nacht bevor.
2.9.2006
Joi brachte mich um 04.30 an den BSi-Busbahhof, von wo mich der flybus nach Keflavik führte. Im Bauch das fahle Gefühl des Abschieds und das feine Brot von Disa. Am Flughafen traf ich Fritz und Peter. Am Duty Free-Shop, der zu dieser Zeit im Umbau zu sein schien, ergatterte ich mir eine Gesichtscrème von der Blaa Lonid, die wohl in erster Linie meinem "Herzchen" gut tun wird... Der Rückflug verlief bestens. Wir erreichten unser Zuhause sogar eine Stunde zu früh. Wiedersehen mit meinem Fritz. Auch schön, wieder zu Hause zu sein! Nun liess ich all meine Erlebnisse Revue passieren und begann Fritz zu erzählen...
Noch etwas: Fritz Fischer kam mir vor wie ein Bergführer: Stets überlegt, ruhig, hilfsbereit, ideenreich und wahnsinnig "gewieft" im Karten lesen und -interpretieren. Weiter ist er nie zu einer pfiffigen Antwort verlegen, steckt voller Energie und ist nimmermüde. Ideenreich wirkte er als Zelttrocknungsmaschine oder Gourmet-Koch. Er organisierte still und besonnen Feinbenzin, Bootreservationen, etc. Sprachgewandt in Englisch, Französisch, Italienisch (und was auch immer noch) scheut er sich vor keinen Gesprächen und erfährt so gar viel Interessantes. DANKE !!!
Und Peter? Er war mir ein angenehmer Zeltpartner und gestand mir irgendwann mal: Meinen Fritz je länger je besser zu verstehen. Er stellte sich diese Ferien wohl etwas weniger strapaziös vor... Peter erstaunt mich einfach immer wieder! Er, der eigentlich endlose Energie hat und am liebsten 5 Gipfel am Tag besteigt! Ich glaube, ihm fehlte vor allem Lisa…
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Auch das DMI bemerkte inzwischen, dass das Wetter im August tatsächlich etwas regenreicher ausfiel, als dies die langjährige Statistik prophezeite…
